Glückssträhnen stehen jedem !

Als Benny und ich morgens aufgestanden waren, gingen wir gemeinsam ins Bad um uns frisch für den Tag zu machen… Renate und Peter waren bereits in der Küche um das Frühstück vorzubereiten.

Während Benny unter der Dusche stand, putzte ich mir noch die Zähne und wusch mir mein Gesicht… Dann griff ich zur Haarbürste um mein Haar zu kämmen. Und sah, dass der Tag nun gekommen war, heute verabschiedete sich mein Haar von mir. Bei dem ersten Blick auf die Bürste sah ich bereits, dass diese voll mit Haaren war und so griff ich fest in meine noch vorhandene Mähne und zog leicht an ihr.  Als ich meine Hand dann vors Gesicht hielt, sah ich das Ausmaß des Ganzen … Ein Büschel nach dem anderen konnte ich so nach und nach mit Leichtigkeit vom Kopf nehmen. Ich konnte gar nicht mehr aufhören, ich war wie im Wahn vor lauter Schreck und dachte nun müsse es doch mal aufhören… aber es hörte nicht auf. Benny bemerkte dies, versuchte mich zu beruhigen und sagte mir, ich solle aufhören mit dem Haare rausreißen, wenn ich so ziehen würde sei es ja klar, dass sie sich lösen. Als Benny dann fertig war und ich mich nun alleine im Bad befand, fing ich wieder an auszutesten, wie viele Härchen da noch so lose sitzen auf meinem Haupt. Natürlich kam so langsam Verzweiflung in mir hoch, auch wenn ich darauf vorbereitet war das dieser Tag kommen wird, war es trotzdem ein verdammt komisches Gefühl zu spüren und zu sehen, dass die Glatze sich für heute angekündigt hat. Leicht verzweifelt und mit Tränen in den Augen ging ich in den Flur, stellte mich an die Treppe und rief heulend zu meinem Mann die Stufen herunter.“ Benny können wir mir die Haare abrasieren? Ich kann mir die alle so vom Kopf nehmen?“ Sofort kamen alle zu mir nach oben ins Badezimmer geeilt und trösteten mich erst einmal und versuchten mich auch noch zu beruhigen … aber als ich dann mit ein paar beherzten Griffen an meinem Haarschopf zupfte und sich das Waschbecken immer mehr mit den Strähnen füllte, waren alle überzeugt und konnten mich verstehen, dass ich das so nicht aushalten konnte. So beschlossen wir erst einmal zu frühstücken und uns dann an den Kahlschnitt zu wagen. Das war etwas, was ich mir von Anfang an fest vorgenommen hatte, sobald ich merken würde, dass es los geht mit dem Verlust meines Haares werde ich diese abrasieren lassen und das von meinem Mann, der das „gerne“ für mich tun würde. Und so genoss ich mein frühmorgendliches Mahl ein letztes Mal als Frau mit Haaren und war sehr gespannt… Der Tisch war noch nicht ganz abgeräumt, da platzte es aus mir heraus:“ Können wir jetzt schon anfangen?“ Ich konnte es nicht mehr abwarten. Benny holte den Rasierapparat, ich setzte mich in der Küche auf einen Stuhl und alle waren dabei und standen um mich herum. Das war sehr schön für mich in diesem Moment, dass bei diesem nächsten einschneidenden Erlebnis meine Liebsten bei mir sind. Benny legte mir ein Handtuch über die Schultern… dann hörte ich das Surren des Haarschneidegerätes und ich spürte, wie er dieses an meinem Kopf ansetzte und die erste Bahn abrasierte. Und dann die nächste und die nächste… Es wurde spürbar kalt am Kopf ich konnte jeden Windhauch merken, total komisch. Als Renate dann zu mir sagte:“ Du siehst toll aus Imke, wirklich!“ schossen mir die Tränen in die Augen… Benny bemerkte dies und schaffte es gleich wieder mich von der Heulerei abzulenken und wieder aufzumuntern, indem er sagte:“ So, fertig !“ Alle lachten und Renate sagte nur:“ Oh Benny, nein !“ Bei dem Blick in den Spiegel verstand ich warum, ich hatte überall noch einzelne Strähnen auf dem Kopf und sah aus wie ein gerupftes Huhn. Aber was soll‘s, Glückssträhnen stehen jedem, mir erst recht… Lachend ging ich zurück zu meinem Frisör und setzte mich wieder auf den Stuhl mit den Worten:“ Mach das Weg Benny !“ Und schon war der Ernst der Situation wieder dem endlosen Spaß gewichen, den wir immer zusammen haben. In meiner ganzen Krebsphase habe ich bisher mehr gelacht als geweint, das muss erst mal einer sagen können… Ich bat Peter währen meiner Typveränderung zu Sinead O`Connor die ganze Prozedur doch bitte für die Nachwelt mit seiner Handykamera festzuhalten. Nachdem mein Pelz nun den Küchenboden und nicht mehr mein Haupt bedeckte, ging es nun noch an den Feinschliff. Da ich richtig feste kurze Borsten auf dem Kopf hatte, beschloss mein Mann, Diesen mit einer Nassrasur nun noch den gar aus zu machen. Er hat das mit so viel Liebe und so vorsichtig gemacht… immer wieder strich er ganz leicht mit seiner Hand über meinen nackten Kopf um zu fühlen ob sich noch irgendwo ein Stoppel befindet. Nach der ganzen Enthaarung wurde mir meine Glatze auch noch eingecremt und Voila, fertig war die neue Imke… Mein erster Blick in den Spiegel hat mich positiv überrascht muss ich sagen… Ich fand mich richtig schön und überhaupt nicht hässlich – ganz ehrlich –  ich gefiel mir richtig gut. Alle anderen waren ebenfalls begeistert, vor allem mein Mann, was mich sehr beruhigte. Nun habe ich den nächsten großen Schritt geschafft, nach meiner OP und der ersten Chemo, nun auch die Haare abgegeben… wieder eine neue Seite in der Geschichte meines Lebens…

Kommentare

  1. Elke Rödenbeek

    Liebste Imke ,
    du bist nicht nur eine besonders tapfer und starke Frau ,sondern auch eine strahlend Schönheit dazu💞
    Wenn ich deinen Blog lese ,kommt es mir vor als sei ich in deiner Situation .Ich fühle mich traurig und hilflos ohne tränen schaffe ich keine Zeile .
    Fühl dich gedrückt😚deine Elke
    Bitte richte deinem Benny liebe grüße aus😊
    Ich bewundere auch seine Stärke 😚

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