„Und so bald du die Antwort hast, ändert dein Leben die Frage.“

Nachmittags kamen dann Renate und Peter um ihre „leichenblasse“ Schwiegertochter zu besuchen … Oh Gott, ich sah echt schlimm aus, im Gesicht kreidebleich, die Frisur auf halb acht und ab dem Hals abwärts bis zur Brust und sogar auf dem Rücken alles gelb vom Jod.
Da haben die Ärzte nicht mit gespart bei der OP !!!

Ich sah nicht wirklich wie das blühende Leben aus … und dann auch noch die tolle OP-Kleidung. „Wir haben auch noch eine Kleinigkeit für dich, das Päckchen ist allerdings noch nicht da, wenn es heute jedoch noch kommt dann bringen wir es dir vorm Tanzen noch vorbei !“, sagte Renate.

Später schrieb sie mir noch von zu Hause aus: „Huhu, dein Päckchen ist da, wir bringen es dir noch so gegen halb 8 !“
Da war ich ja mal sehr gespannt. So hingen Benny und ich dann den ganzen Tag herum, ich durfte ja nur liegen und Benny blieb somit nichts anderes übrig als wieder den ganzen Tag neben mir an meinem Bett zu sitzen. Jeden Tag war er bei mir, von der Arbeit aus ist er immer gleich zu mir gekommen. Das war für mich immer das Schönste in diesen Tagen, wenn er dann da war. Eigentlich wollte Dr. K. zwischen 18:30 und 19 kommen um mit uns über die weiteren Ergebnisse zu reden aber er ließ auf sich warten …
Um halb 8 waren dann Renate und Peter mit meinem Geschenk da …  “ Und gibt es schon was neues ? War Dr. K schon da ? “ “ Nein, leider nicht. „, sagten wir enttäuscht.

Dieses ständige warten auf die Ergebnisse war echt nervenaufreibend. War in dem Wächterlymphknoten irgendetwas auffälliges ? Brauche ich eine Chemotherapie ? So viele Fragen, Gedanken und Sorgen … Und noch immer lebe ich so kopflos von Tag zu Tag, Gedanken kommen und gehen so wie sie gerade lustig sind. Meist kamen sie nachts, wenn alles ruhig war im Krankenhaus und nur die Außenbeleuchtung etwas unser Zimmer erhellte in der Dunkelheit.

Das Geschenk von meinen Schwiegereltern war ein Fotobuch, auf diesem stand :
Imke´s Bilderbuch

Bilderbuch

Ich habe mich so sehr darüber gefreut, noch so eine wunderbare Überraschung. Es war einfach eine schöne Idee. In dem Album waren viele Fotos von Benny und mir, Familienfotos, Hochzeitsbilder und zu jedem Bild ein schöner passender Spruch. Das hat mein Herz so sehr berührt, dass ich mal wieder vor Freunde weinen musste …
All diese Bilder zu sehen von unseren Anfangszeiten bis jetzt, wir haben schon so viel miteinander erlebt, sind durch dick und dünn gegangen, sind noch immer zusammen und immer füreinander da, was ich jetzt am allermeisten brauche.

Kurz nach 8 klopfte es dann an der Zimmertür … Es war Dr K., Gott sei Dank !
Er entschuldigte sich für seine Verspätung, ihm sei noch etwas dazwischen gekommen. Das machte uns jedoch nichts, wir waren froh das er sich überhaupt noch die Zeit nahm um sich um mich zu kümmern. Er überbrachte uns Neuigkeiten auf die wir uns innerlich zwar schon irgendwie eingestellt hatten, dass es so sein könnte, aber uns eher was anderes gewünscht hätten … „So wie es aussieht hat die Pathologin im ersten Wächterlymphknoten eine Metastase gefunden, die Untersuchungen sind noch nicht ganz durch aber wir können uns darauf einstellen … es wird auf eine Chemo hinauslaufen.“

Während er da so vor meinem Bett stand und erzählte, verstand ich nur Bla Bla Bla … ich konnte die Worte nicht wahrhaben. Chemotherapie !!!

„Und so bald du die Antwort hast, ändert dein Leben die Frage.“

Was passiert jetzt, wie wird es jetzt weiter gehen ???
Als Dr. K. dann wieder gegangen war, schaute ich Benny entsetzt an und ließ meinen Tränen freien lauf … Er tröstete mich jedoch gleich und sagte mir, dass wir auch das noch schaffen würden …

Benny half mir dann mich bettfertig zu machen. Ich, noch leicht wackelig auf den Beinen, ging mit Benny zusammen ins Bad. Da sah ich mich zum ersten mal live im Spiegel. Vorher zeigte Benny mir noch ein Foto von mir, wie ich frisch aus dem OP kam. Mich so in „echt“ zu sehen, war schlimmer …Benjamin ließ gar nicht erst zu, dass wieder tränen kamen. Er machte immer gleich Späße und brachte mich zum lachen.

„Wenn ich dann die Chemo bekomme und mein Haar verliere, hast Du dann mal die längeren Haare ! „, sagte ich dann lachend zum ihm. Er hat nur ein Stoppelhaarschnitt muss man wissen … Die Wahrscheinlichkeit das ich meine Haare verlieren werden ist recht groß, da ich wegen meines jungen Alters eine stärkere Chemo bekommen werde. Nach dieser Aussage, sah ich mein Haar mit ganz anderen Augen. Es war auf einmal so wertvoll, ich kämmte mich seither mit ganz anderem Bewusstsein … Meine Haare über die ich schon sooft geflucht habe wenn sie nicht richtig lagen, wusste ich jetzt erst einmal richtig zu schätzen.

Als ich vor dem Spiegel stand, zog ich mein Oberteil vorsichtig hoch um mir das ganze Ausmaß der OP mal genauer zu betrachten, die Wunden waren von großen Pflastern bedeckt und der Schlauch der aus meiner Brust ragte war voll mit Blut …
So stand ich dann da und fühlte mich wie ein Häufchen Elend mit meiner Drainage-Flasche in der Hand, welche ich immer mit mir herumschleppen musste.Blödes Gefühl, wenn man mit diesem besagten Schlauch mal irgendwo hängen blieb. Benny half mir beim waschen und umziehen. Raus aus der OP-Kleidung und rein in den Pyjama. Meine Trombosestrümpfe musste ich jedoch die nächsten Tage anlassen. So nochmal auf die Toilette, was ich nun auch endlich wieder durfte und dann ab ins Bett …
Für Benny ging es dann nach einem langen Tag wieder nach Hause. Ich wäre so gerne mit ihm gegangen … er ließ mich auch nur ungern allein nach dieser Diagnose, Chemotherapie, bis ich ihm versicherte, dass ich klar komme, dass es OK ist wenn er jetzt geht … Er wäre am liebsten geblieben, ich konnte es in seinem Gesicht sehen.

Nachdem Benny weg war, kam Meta aber gleich zu mir, streichelte mir über die Wange und machte mir Mut. “ Das schaffst Du schon mein Mäuschen, da müssen wir Beide ja nun durch und wir haben uns doch versprochen immer stark zu sein !“
Ja das stimmt Meta. Du hast mich schon toll durch diese Tage im Krankenhaus begleitet, mit deiner Power, deinem Witz und deinem großen Herzen …

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